TRANSCENDENTIA

Aus dem Urdunkel des Geheimnisses wälzen sich vollendete Leiber, feierlich, erregt und als sähen sie alles zum ersten Mal. Kraft, Schmerz und Hingabe zeichnen die Gesichter. Sind es die Göttinnen und Götter, die uns schufen? Oder sind es die ersten Menschengeschlechter, die aus dem Ei der Geschichte schlüpfen? Sind wir die Abbilder der Gött:innen? Oder formten wir sie nach unserer Gestalt, um uns selber in ihnen zu verehren? Sehen wir die Menschwerdung der Gött:innen oder das Göttlichwerden der Menschen im Tanz, im Ringen um das Richtige, im Kampf des Guten gegen das Böse, im Aufbäumen des Individuums gegen das schicksalhaft Vorbestimmte? Rüstungselemente und Helme scheinen auf moderne Sportarten wie Rugby, Eishockey oder Baseball zu deuten. Deren Held:innen halten Einzug in die Hall of Fame wie die Gött:innen in den Olymp. Geschieht dies am ältesten oder am jüngsten Tag? Handelt es sich um Aufbruch oder Gött:innendämmerung?
In seiner Studie Keeping together in time formulierte der amerikanische Historiker William H. McNeill, wie sich menschlicher Zusammenhalt in Belastungssituationen einstellt, sobald Instrumente oder Stimmen einen Rhythmus vorgeben. Tanzen, Marschieren oder beispielsweise Rudern haben einen gemeinsamen Ursprung im menschlichen Bedürfnis nach „muskulärer Bindung“. Kulturgeschichtlich entwickelten sich höfische Schrittfolgen ebenso wie vornehme Wettkampfarten (z.B. Fechten, Bogenschießen, Ballspiele) als Ausdrucksformen von Körper- und Selbstkontrolle. Drill und Disziplin sind dabei die Kehrseite von Rausch und Ekstase, so wie das Apollinische dem Dionysischen entgegen gesetzt wurde. Beide aber, die Selbstformung und die Selbstentgrenzung, sind in der angeborenen Ausstattung des Menschen mit Trieben und Vernunftbegabung angelegt. Kulturen und Religionen vermitteln seit jeher zwischen diesen Kräften, zwischen Chaos und Ordnung. Diese Kräfte werden dabei als im Raum wirkende Gestalten verkörpert. Gewänder als zweite Hüllen der natürlichen Körper betonen diese Wirkungen, geben Halt und Schutz, reagieren auf Bewegungen oder bringen diese hervor.
(Anna Zika)

Die Modevideos entstehen im Workshop „Transcendentia” unter der Produktionsleitung des Lehrbeauftragten Marcus Wildelau. Es nehmen Studierende der Fachrichtung DMX und Modedesign gemeinsam teil. Die filmische Inszenierung wird als Spiel, Tanz, Kampf der Götter und Göttinnen gesehen, die in den Intermundien Ideen zur Menschwerdung entwickeln. Wir sehen nur Körper, Kleidung und Bewegung. Welche Helden und Heldinnen entstehen nun inmitten dieser Dialektik zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Gewalt und Formationen eines Reigens? Folgen sie den apollinischen Regeln hellen Glanzes oder entsteht ihr ekstatischer Tanz in düsterer, dionysischer Trunkenheit?

Auf technischer Seite entwickelte entwicktelte Marcus Wildelau in diesem Workshop einen modularen Workflow für eine Zeitlupenproduktion mit den Geräten des Fachbereichs, setzte das Licht und generierte einen LUT, mit dem am Set der S-Log2 RAW Stream einen Look und ein Pregrading in Schwarzweiss erhielt. Die Departments wurden von den Studierenden in Rotationsfolge besetzt. Außerdem übernahmen die Studierenden die Regie, das Kostümdesign, die Kameraarbeit, Licht und FX.

Technischen Support erhielt der Workshop von Tobias Bongartz, Kim Groche und Nils Pisarsky.

Dank an alle Mitwirkenden!

Studierende aus DMX:
Liam Balzert, Evelina Dallmann, Noelle Ehrenfeld, Ruben Hillemeyer, Spence Kromberg, Kevin Kuhn, Theresa Kunze, Lisanne Lehmann, Anna Moritz, Jana Nesgutski, Maik Schneiker, Julian Schwarze, Charlotte Sülflohn, Maira Wissing

Studierende der Mode im Seminar von Prof. Philipp Rupp
Games, Costumes, Genders & Identities:
Sophie Alexandra Eida, Meriel Eilermann, Jennifer Fahr, Fiona Gohrke, Lina Häcker, Lorena Kapp, Isabella Matic, Isabel Niemann, Laura Ortwein, Julia Quitmann, Trisnadiel Salawane, Anna Zerrer

Performer*innen
Jan Luka Ackermann, Prof. Jan Burkhardt, Yi Chen Chen, Jule Ehlenz, Juliana Garycochea, Andrej Kran, Hannah Reena Reif, Nora Roberg, Fernanda Rodrigues, Naz Salmanoglu, Emma Stacey, Ada Sophie Sternberg, Fuzael Ul-Hassan

Das Projekt entstand als Kooperation des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Bielefeld gemeinsam mit Prof. Dr. Sevi Bayraktar, Professorin für Tanz, Performance u. Musik am Zentrum für Zeitgenössischen Tanz (ZZT) in Köln.

Prof. Jan Burkhardt, ZZT Köln
Prof. Philipp Rupp, Modedesign
Prof. Herwig Scherabon, DMX
Lehrbeauftragter Marcus Wildelau, M.A.
Prof. Dr. Anna Zika, Theorie der Gestaltung